Gesetzesänderungen im Insolvenzrecht
Die wichtigsten Änderungen
Insolvenzrechtsreform
Der Deutsche Bundestag hat am 17.12.2020 das Gesetz zur weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiung verabschiedet.
Die wichtigsten Änderungen:
- Die Restschuldbefreiung wird nach drei Jahren erteilt. Dies gilt für alle Verfahren, die mit Beschluss des Insolvenzgerichts nach dem 01.10.2020 eröffnet wurden.
- In der Wohlverhaltensphase sind Geschenke hälftig sowie Lotteriegewinne vollständig herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenkeund Gewinne von geringem Wert ausgenommen (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Der Schuldner kann außerdem durch das Insolvenzgericht feststellen lassen, ob ein Gegenstand der Herausgabepflicht unterliegt. Die Entscheidung erfolgt durch den Rechtspfleger und löst keine weiteren Gerichtskosten aus.
- Es bleibt bei der Rückwirkung zum 1.10.2020 sowie der gestaffelten Restschuldbefreiungsdauer bei Antragstellung seit dem 17.12.2019 (Art. 103k EGInsO).
- Als Erleichterung für die Praxis sieht Art. 103k EGInsO außerdem vor, dass bei Verbraucherinsolvenzverfahren, die bis zum 30.6.2021 beantragt werden, ausreicht, dass der außergerichtliche Einigungsversuch in den letzten zwölf Monaten vor dem Insolvenzantrag erfolglos absolviert wurde.
- In § 35 InsO wird ein neuer Abs. 3 eingefügt, der dem Schuldner die Pflicht auferlegt, den Insolvenzverwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit zu informieren. Der Insolvenzverwalter wird seinerseits verpflichtet, unverzüglich, spätestens nach einem Monat, über das Ersuchen einer Freigabe der selbstständigen Tätigkeit zu entscheiden.
- Die Abführungspflichten des selbstständigen Schuldners werden in § 295a InsO neu geregelt. Neu ist, dass der Schuldner beantragen kann, dass der fiktive Bruttoverdienst vom Insolvenzgericht festgesetzt wird. Aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Schuldners - verheiratet, Kinder ... - wird der Nettoverdienst zu errechnen sein, auf Grundlage dessen der pfändbare Betrag abzuführen ist.
Die abzuführenden pfändbaren Beträge des laufenden Jahres sind bis spätestens 31.01. des Folgejahres vollständig zu entrichten.
Aktuelle Rechtsprechung
Unzulässigkeit eines Schuldnerantrages wegen fehlenden Gläubigerverzeichnisses
Der Antrag des Schuldners auf Insolvenzeröffnung ist unzulässig, wenn entgegen § 13 Abs. Satz 3 InsO kein Verzeichnis der Gläubiger und deren Forderungen vorgelegt und dessen Richtigkeit und Vollständigkeit nach § 13 Abs. 7 InsO erklärt worden ist. Die Vorschrift soll den ordnungsgemäßen Ablauf des Insolvenzverfahrens gewährleisten. Das Gericht hat es durch das Gläubigerverzeichnis leichter die Gläubiger bereits im frühen Verfahrensstadium einzubeziehen. (ZVI 5 2013, S. 186)
Diese Rechtsprechung kommt vor allem bei der Beantragung von Regelinsolvenzverfahren zum Tragen. Die Gerichte gehen mehr und mehr dazu über, Anträgen auf Insolvenzeröffnung nicht stattzugeben, wenn Gläubigerverzeichnisse vorgelegt werden, die unvollständige Adressdaten, Gläubigervertreter oder Forderungshöhen zum Inhalt haben.
Versagung einer Gewerbeerlaubnis bei „Freigabe“ der wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit
Ist über das Vermögen eines gewerblich tätigen Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und seine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit freigegeben, so kann die Entziehung der Gewerbeerlaubnis wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse nur auf Umstände gestützt werden, die nach der Freigabe der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit aus dem Insolvenzverfahrens eingetreten sind und in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Umständen stehen, die zur Eröffnung geführt haben (VG Neustadt a.d. Weinstraße. 4 L 1076/12).
Verpflichtung des erwerbslosen Schuldners
Der erwerbslose Schuldner muss sich im Rahmen des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO während der Insolvenz aktiv um eine Arbeitsstelle bemühen. Erforderlich sind im Durchschnitt 10 bis 12 Bewerbungen im Monat. Allein eine Meldung bei der zuständigen Agentur für Arbeit reicht nicht. (AG Göttingen, Beschl. v. 08.09.2011 – 71 IN 122/05)
Berücksichtigung des Ehegatten als unterhaltsberechtigte Person
Will der Treuhänder (Insolvenzverwalter) erreichen, dass bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrages des Arbeitseinkommens des Schuldners der Ehegatte wegen eigener Einkünfte als Unterhaltsberechtigter nicht berücksichtigt wird, hat er die Entscheidung des Insolvenzgerichts herbeizuführen. Das Gerícht hat dann nach billigem Ermessen unter Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Gläubigers und des Schuldners sowie der von ihm unterhaltenen Angehörigen zu treffen (BGH, Urteil v. 03.011.2011 – 1 IX ZR 45/11 – LG Halle, AG Naumburg).
Schutz der Altersvorsorge
Die Umwandlung einer Lebensversicherung zur Erlangung des Pfändungsschutzes nach § 851 c ZPO vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nicht nach den Vorschriften der Insolvenzordnung (§§ 129 ff. InsO) anfechtbar. (OLG Stuttgart, ZVI 2 S. 68 ff).
Mehr zum Schutz der Altersvorsorge
Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in der Insolvenz
Das Zwangsvollstreckungsverbot für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens gilt auch für die eidesstattliche Versicherung. § 89 Abs. 1 InsO verbietet während der Dauer des Insolvenzverfahrens Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Insolvenzgläubiger sowohl in die Insolvenzmasse als auch in das sonstige Vermögen des Schuldners (BGH IX, ZB 275/10).
Auch Vollstreckungsmaßnahmen von Neugläubigern während des Insolvenzverfahrens sind nur in Ausnahmefällen zulässig.
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Unpfändbarkeit von Urlaubsgeld in der Insolvenz
Urlaubsgeld fällt nicht in die Insolvenzmasse soweit es den Rahmen des Üblichen in gleichartigen Unternehmen nicht übersteigt. Dies gilt auch dann, wenn das Urlaubsgeld in den vorgrgebenen Grenzen eine erhebliche Höhe erreicht (BGH IX, ZB 239/10).
Im vorliegenden Fall stand dem Insolvenzschuldner Urlaubsgeld in Höhe von 3.377,88 € aus seiner Beschäftigung bei einem Unternehmen in der Metallindustrie zu. Der Insolvenzverwalter beantragte 50 % für pfändbar zu erklären. Das Insolvenzgericht gab dem Antrag statt, der BGH dagegen hat auf sofortige Beschwerde des Schuldners hin den Beschluss des Insolvenzgerichts geändert und das Urlaubsgeld insgesamt für unpfändbar erklärt.